Pressemitteilung vom Gründonnerstag, 5.4.2021
Die Evangelische Kirche hat 2021 zum Jahr der Kirchenmusik erklärt. In diesem Zusammenhang finden zahlreiche konzertante und gottesdienstliche Aufführungen statt, um die Bedeutung der Kirchenmusik für den Erfolg der Reformation zu unterstreichen. Ein Nürnberger Kantor geht nun noch ein Stück darüber hinaus und fordert eine geistliche Neubesinnung in den eigenen Reihen.
Joachim Roller, studierter A-Kirchenmusiker und promovierter Musikwissenschaftler, hat bereits vor einigen Jahren mit seinen Untersuchungen zur Orgelbegleitung Bachscher Kantaten und Passionen für Aufsehen gesorgt. Nun widmet er sich zunehmend seinem Lebenswerk, der Re-Spiritualisierung der sakralen Musik. Es ist ein Unding, wenn geistliche Musik in erster Linie als kulturelles Ereignis wahrgenommen und ausschließlich nach künstlerischen Kriterien realisiert wird , erklärt er seinen Ansatz. Geistliche Musik muss ihren geistlichen Inhalt spürbar werden lassen und Menschen bewegen und innerlich ergreifen können. Wenn man nach einem geistlichen Konzert ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen könne, könne etwas nicht stimmen, so Roller weiter.
Um Künstler- und Musikerkollegen dabei zu unterstützen, die geistliche
Ausstrahlung ihrer Musik zu intensivieren, hat Roller bereits vor drei Jahren den geistlichen Konvent Haus Asaph (www.haus-asaph.de) gegründet, der überkonfessionell tätig und mittlerweile als gemeinnützig anerkannt ist. Dessen Mitglieder treffen sich in der Regel einmal monatlich zu gemeinsamem Musizieren, Austausch und Gottesdienst. Dabei geht Rollers Ziel über die geistliche Flankierung künstlerischer
Entwicklung hinaus: Der Perfektionsdruck hat gerade bei den Profimusikern ein krank machendes Ausmaß erreicht. Die spieltechnische Perfektion ist fast schon zu einem Nebengott geworden , kritisiert er seine Szene und fordert, die individuelle Ausstrahlung als oberstes Ziel der künstlerischen Ausbildung zu fördern und die
Anforderungen an die Spieltechnik von perfekt auf jedenfalls so gut wie möglich an die zweite Stelle zu setzen. Dass ihm der Vorwurf gemacht werden könnte, damit von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken, ficht Roller nicht an und er verweist neben mehreren Stipendien und Einspielungen unter anderem auf seine Examina, die er jeweils mit
Auszeichnung abgeschlossen hat. Sollte die geistliche Neubesinnung mit oder ohne Haus Asaph nicht erfolgen, so drohe die Kirchenmusik in hohles Event-Management abzurutschen, fürchtet Roller. Bald wird er
Gelegenheit haben, seine Intention öffentlich zu untermauern: Im Rahmen des Jahres der Kirchenmusik spielt der Kantor der Osterkirche Nürnberg-Worzeldorf am 6. Mai Bachsche Orgelbearbeitungen von Lutherliedern. Man darf gespannt sein.